Die »Finisten«
Mit dem Ende der NS-Diktatur war für emigrierte Schriftstellerinnen und Schriftsteller das Exil keineswegs vorbei. Die anhaltende Präsenz von Nazis in wichtigen Positionen des politischen und gesellschaftlichen Lebens auch nach 1949 war nicht geeignet, sie zur Remigration in die Bundesrepublik Deutschland zu ermutigen. Jüdische Autoren sahen sich mit fortdauerndem Antisemitismus konfrontiert.
In diesem restaurativen Nachkriegsdeutschland versuchten ein paar vereinzelte Schriftsteller-Rebellen, am Geist der Weimarer Zeit anzuknüpfen – unter anderem die Finisten. So nannten sich die Lyriker Werner Riegel (1925 – 1956) und Peter Rühmkorf (1929 – 2008), die in den 50er Jahren mit ihrem radikalen gesellschaftspolitischen Non-Konformismus den Boden für die 68er-Bewegung bereiteten. Mit ihrem erfundenen Begriff des Finismus beschrieben sie halb ernst, halb ironisch ihre Weltanschauung: Sie gingen davon aus, dass der Dritte Weltkrieg unmittelbar bevorstand, sie waren gegen die Wiederaufrüstung der Bundesrepublik und gegen Atomwaffen.
Gemeinsam gaben sie die hektographierte Zeitung Zwischen den Kriegen heraus, die in einer Auflage von ungefähr 200 Exemplaren erschien. Aus der Zeitung ging später der Studentenkurierhervor, der seinerseits Vorläufer von konkret war – in den 60er Jahren das wichtigste Publikationsorgan der beginnenden außerparlamentarischen Opposition. Dessen Herausgeber Klaus Rainer Röhl hatte Zwischen den Kriegen mitgegründet, war jedoch nach den ersten beiden Ausgaben ausgeschieden.
Werner Riegel und Peter Rühmkorf standen in regem Briefwechsel mit Kurt Hiller (1885 – 1972), dem früheren Weltbühnen-Autor und Impresario des literarischen Expressionismus, der zu den aktivsten Publizisten der Weimarer Republik gehört hatte. Er war als Pazifist, Sozialist, Jude und Homosexueller von den Nazis verfolgt und in Konzentrationslagern misshandelt worden, bevor er 1934 über Prag und Paris ins englische Exil entkommen konnte. Auch von ihm erschienen hin und wieder Beiträge in Zwischen den Kriegen. Erst 1955 kehrte er nach Deutschland – und zwar nach Hamburg – zurück.